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Patienten-Apps made in Silicon Valley

Die jungen Wilden: Wie Tech-Unternehmen den Healthcare-Sektor erobern
Digitale Patientenzentrierung, Wearables, Apps für mobile Endgeräte und immer neue Produkte aus dem interdisziplinären Bereich Medizintechnik, wie beispielsweise Prothesen aus dem 3D-Drucker oder Virtual-Reality-Brillen zur Behandlung von psychischen Störungen: Die digitale Transformation wirbelt auch den Healthcare-Bereich durcheinander. E-Health ist das Stichwort der Stunde.

Rise of the Machines
Interessant ist, dass immer neue Player (meist mit Kerngeschäft Technologie) auf diesen noch jungen Markt strömen, während die etablierten Pharma- und Medizintechnikunternehmen zögerlich diese neue Welt betreten. Der Mut und die Aufbruchsstimmung des Silicon Valley machen auch vor dem Gesundheitsmarkt nicht halt. So verwundert es nicht, dass es gerade die mächtigsten Tech-Konzerne der Welt sind, die den Healthcare-Markt mit wachen Augen beobachten: Alleine Googles Veränderung der Firmenstruktur hin zu Alphabet gibt einen Hinweis auf die Zielsetzung, den eigenen Konzern mit der Gesundheitsabteilung fit für den Healthcare-Markt zu machen. Apropos „Gesundheitsabteilung“: Alphabets Verily (ehemals Google Life Sciences) forscht in einem abgeriegelten Labor an nicht weniger als einer neuen Ausrichtung der Medizin. Nicht mehr reaktiv, sondern proaktiv soll sie sein. Während einige der Projekte derzeit mehr nach Fiction als Science klingen (Nanopartikel, Pillen gegen Krebs, elektrische, implantierbare Augenlinsen), gibt es auch schon beachtliche Erfolge: So wurde die smarte Kontaktlinse für Diabetiker, die den Zuckerspiegel im Sekundentakt in der Tränenflüssigkeit misst, an den Pharmagiganten Novartis lizenziert, der mit ersten Tests an Probanden in diesem Jahr starten will. Als nächstes Projekt steht ein Armband für Patienten und die medizinische Forschung an. Fraglich ist, inwieweit Google das eigene Development-Kit rund um die mobile App-Suite Google Fit einschätzt: Bleibt es bei dem Fokus auf Fitness oder gibt es auch hier eine Veränderung hin zu proaktiver Vorsorge und Gesundheitsüberwachung. Denn mit Apple Health steht ein potenziell sehr starker Konkurrent in den Startlöchern. Google müsste entweder die eigenen erhobenen Daten bei Apple eingliedern oder selbst eine Alternative anbieten.

An Apple a day…
Was bei Apple Keynotes selten im Fokus steht, aber von vielen Experten als besonders interessant eingeschätzt wird, sind nicht die neuen iPhones oder iPads, sondern die zunehmende Wandlung Apples hin zum gesundheits-zentrierten Unternehmen. Die Apple Watch war der erste Schritt und mit dem Launch von CareKit und ResearchKit baut Apple seine Präsenz im Healthcare-Sektor weiter aus. Sowohl ResearchKit als auch CareKit sind quelloffen – während ResearchKit dazu gedacht ist, mit Apps medizinische Studien durchzuführen, liefert CareKit eine Entwicklungsumgebung, mit der Healthcare-Anbieter Gesundheits-Apps für Patienten entwickeln können. Der Vorteil liegt klar auf der Hand, Pharma- und Medizintechnikunternehmen müssen nicht „from scratch“ starten, sondern finden ein funktionales Werkzeugset vor, mit dem sie ihre Apps erstellen können. Und Apple als Nummer Zwei im Smartphone-Markt (nach Marktanteilen) bindet Unternehmen, Universitäten, Forschungseinrichtungen und Nutzer an sich, seine Geräte und Dienste. Schon jetzt generiert Apple mit der Dienste-Sparte (u. a. App-Store) mehr Umsatz als mit Macs oder iPads. Obwohl CareKit erst im April 2016 veröffentlicht wurde, gibt es bereits vier Apps für Patienten mit iPhone oder Apple Watch: Neben Start, einer App, die depressive Menschen bei der Therapie unterstützt, stehen bei Glow gleich zwei Apps für Eltern und schwangere Frauen im Fokus. One Drop hilft Diabetikern alle relevanten Daten an einem Ort zu sammeln, per Community-Map mit Gleichgesinnten in Kontakt zu treten und die eigenen Gesundheitsdaten beispielsweise mit dem Arzt zu teilen.

Let’s talk about Diabetes
Die One-Drop-App macht einen eleganten Eindruck und passt zum Zeitgeist. Wichtiger noch – gerade bei der Volkskrankheit Diabetes ist eine aufmerksame Blutzuckerüberwachung lebenswichtig. Das hier noch längt nicht alle Blutzuckermessgerät-Marken mit mobilen Anwendungen aufwarten können, hat unser aktueller Brand Agility Index gezeigt. Für Unternehmen, die im Healthcare-Markt am Puls der Zeit bleiben wollen, wird es bald nur noch zwei Möglichkeiten geben: Entweder sie entwickeln selbst ihre Apps wie es beispielsweise LifeScan mit OneTouch Reveal getan hat oder sie kooperieren mit vorhandenen Anbietern. Diesen Weg hat Roche mit Accu-Chek und der mySugr Diabetes Tagebuch App beschritten. So oder so – reines Abwarten wird nicht helfen, E-Health ist gekommen, um zu bleiben und die Tech-Unternehmen werden dafür sorgen, dass es spannend bleibt. Denn sie sind an harten Konkurrenzkampf gewöhnt.

 

Über Stephan Winzler
Stephan Winzler ist Senior Account Executive bei WE Communications und dort für Patienten- und digitale Kommunikation sowie die Kombination aus beidem zuständig. Als langjähriger Berater von Tech-Unternehmen schlagen zwei Herzen in seiner Brust – vor allem der Grenzbereich zwischen Healthcare und Technology fasziniert ihn.

Mai 23, 2016