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Die Renaissance der Kommunikation: Branchenvorhersage 2019

Kommunikationsprofis – ob firmenintern oder in Agenturen – haben ein paar verrückte Jahre rapiden Wandels hinter sich. Einiges davon ist gut, einiges weniger gut.

So haben wir etwa den stetigen Bedeutungsverlust von Mainstream-Medien mit ansehen müssen, was unserem Kerngeschäft Earned-Media stark zugesetzt hat. Gleichzeitig haben wir den Aufstieg von Paid-Content-Social-Media-Plattformen gesehen. Ein zweifellos spannender Wachstumsbereich, der allerdings die Grenzen zwischen klassischer Öffentlichkeitsarbeit und Marketing zusehends verschwimmen hat lassen. Wir haben Content Marketing als vielversprechendes und innovatives Konzept kennengelernt, das dann aber vielerorts eine fehlgeleitete Hörigkeit gegenüber Performance-Marketing-Modellen mit sich brachte. Wir haben mitansehen müssen, wie all diese Phänomene Wachstum und Margen in großen wie kleinen Agenturen dahinschmelzen haben lassen. Wir haben beobachtet, wie der Ertragsdruck die Konsolidierung innerhalb der großen Holding-Gesellschaften weiter forciert hat. Wir haben auch einen Trend zur Ernennung von Anwälten oder politischen Entscheidungsträgen zu Chief Communications Officers (CCO) mitgemacht. Das hat in einigen Fällen zu einer negativen Grundeinstellung zur Kommunikation an sich und in anderen Fällen (glücklicherweise) zu mehr Engagement und Transparenz geführt. Auffällig war auch, wie exponierte Kommunikationsstellen bei B2C-Marken in die Marketingabteilung eingegliedert, wurden während im B2B Sektor genau die gegenteilige Entwicklung zu beobachten war.

Ich könnte die Liste noch lange fortsetzen – will und werde ich aber nicht. Stattdessen möchte ich mich lieber auf das fokussieren, was wir meines Erachtens 2019 erleben werden: die Renaissance der Kommunikation.

Unser Arbeitsfeld, unsere Welt – und damit meine ich den öffentlichen Sektor, die Privatwirtschaft und NGOs gleichermaßen – sieht sich heiklen und sehr realen Bedrohungen ausgesetzt: Täglich werden wir konfrontiert mit zunehmendem Nationalismus, einer ausgemachten Glaubwürdigkeitskrise des Journalismus, weitreichender ideologischer Polarisierung, einer zwiegespaltenen, im ständigen Wechsel befindlichen Haltung gegenüber technologischer Innovation (irgendwo zwischen Begeisterung und Angst) und immer weniger persönlichem Umgang miteinander.

Genau diese explosive Mischung trägt meines Erachtens maßgeblich zur Renaissance der Kommunikation und damit von uns Kommunikatoren bei. Sie eröffnet uns die große Chance, aktiv die Richtung mitzugestalten, in die sich unsere Unternehmen und/oder unsere Kunden bewegen und gleichzeitig positiven Einfluss auf die von ihnen angesprochenen Zielgruppen zu nehmen.

Noch nie waren die Möglichkeiten, das Einfühlungsvermögen und Fähigkeiten von aufgeklärten Kommunikatoren so groß wie heute. Die Zukunft gehört:

  • Beratern, die das Handwerk der glaubwürdigen, von unabhängigen Quellen validierten Kommunikation verstehen
  • Mittlern, die die Kunst des respektvollen und informierten Dialogs beherrschen
  • Kommunikationsprofis, die auch wirklich aus den verschiedenen Teilen der Gesellschaft stammen, aus denen die Interessengruppen bestehen, die für den Erfolg unserer Unternehmen und unserer Kunden entscheidend sind.
  • Berater, die das Standing und die Ausstrahlung für den viel diskutierten und endlos gesuchten Sitz am Tisch mit C-Suite-Führungskräften haben.
  • Und schließlich Experten, die mit Erkenntnissen und Analysen ausgestattet sind, die zu einer zielgerichteteren, effektiveren und zeitgerechteren Erstellung von markengebundenen, fesselnden Inhalten führen.

Vor diesem Hintergrund, hier meine Vorhersagen für unsere Branche für dieses Jahr:

1. Der Wiederaufstieg des CCO

Nach jahrelangem Tauziehen mit CMOs um die Gunst des CEO und/oder Budgetkompetenz, wird die Rolle des CCO in diesem Jahr wieder bedeutender. Die oben genannten Faktoren machen Engagement und Stakeholder-sensible Entscheidungsfindung zu organisatorischen Kernkompetenzen.

2. Eine Kommunikationstroika 

Die Globalisierung und Demokratisierung von Informations- und Kommunikationsplattformen sorgen dafür, dass Unternehmen PR, Marketingkommunikation und politische Kommunikation nicht mehr in Silos betreiben können. Die Aufteilung in klar abgegrenzten und unterschiedlichen Interessensgruppen für verschiedene Themenbereiche ist der Forderung nach Transparenz und Zugang über Abteilungsgrenzen hinweg gewichen. 2019 wird es daher zur Globalisierung eines Trends kommen, die ich schon aus aufstrebenden Märkten kenne: Unternehmenskommunikation, Marketingkommunikation und Politikkommunikation werden eng zusammenarbeiten (müssen), um wirksam agieren zu können.

3. Neue Kompetenzen 

In der Vergangenheit haben Kommunikationsprofis – wiederum intern und in Agenturen – immer wieder Lippenbekenntnisse über die Bedeutung innovativer Kommunikationsplattformen abgegeben. 2019 ist vor allem aufgrund von Datenschutz- und Sicherheitsbedenken und der zunehmenden Bedeutung von KI- und Machine-Learning-Anwendungen die Zeit gekommen, Farbe zu bekennen. Kenntnisse im Umgang mit neuen Technologien sind nicht nur deshalb wichtig, um das generelle Umfeld, in dem wir uns bewegen zu verstehen, sondern v.a. unseren Kunden wirklich fundierte Empfehlungen zur Strategieentwicklung geben zu können und damit unserer Beratungsfunktion gerecht zu werden.

4. Private Equity und/oder Management Buyouts (MBOs) bei einer Agentur ganz in Ihrer Nähe 

Nach rund 18 Monaten durchgehender Konsolidierung bei den großen Holdinggesellschaften ist eines klar: Da kommt noch mehr. Die multidisziplinären Holdinggesellschaften mit mehreren Einzelagenturen unter einem Dach werden weiterhin damit zu kämpfen haben, wie sie es endlich schaffen, Kunden und Mitarbeiter ins Zentrum ihres Handelns zu rücken. Auch im kommenden Jahr sehe ich deshalb viel Potential für PE und/oder MBOs im Kommunikationsbereich. Durch die Privatisierung einzelner Agenturen würde sich der Druck auf Holdinggesellschaften reduzieren lassen, kurzfristige (übertriebene und sinnfreie?) Investorenerwartungen erfüllen zu müssen und ihnen gleichzeitig die Chance eröffnen, stärkeren Fokus auf das Handwerk an sich, ihre Kunden und Mitarbeiter zu legen.

5. Branchenwachstum 

Während der Wachstumsdruck auf die Kommunikationsagenturen, die über der Umsatzmarke von rund 400 Millionen US-Dollar liegen, weiterhin hoch bleiben wird, sehe ich ein hohes einstelliges Wachstum, das 2019 wieder in den Sektor zurückkehrt. Der größte Teil dieses Wachstums entfällt auf Agenturen im Bereich von 50 bis 200 Millionen US-Dollar, mit Multi-Market-Footprints und klar differenzierten Angeboten. Ein Teil des Unbehagens, das die Branche in den letzten Jahren erlebt hat, ist meiner Meinung nach auf den Kampf der großen Agenturen zurückzuführen, die klar definieren müssen, was sie verkaufen und an wen sie es verkaufen. Mittelständische und private Agenturen sind weitgehend immun gegen diese besondere Herausforderung.

Ihnen allen einen wunderbaren Start in 2019!

Und lassen Sie mich unbedingt wissen, was Sie von meinen Prognosen halten!

Januar 15, 2019