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Storytelling Vol. 1: Über die Inflation eines Begriffs

Eine Seuche greift gerade um sich, die Storifizierung. Alles wird zur Story, was nicht nur an der inflationären Verwendung des Begriffes zu sehen ist, sondern auch an der Verdrängung anderer Begriffe, die ursprünglich der Differenzierung und Einordnung dienten. So verschwindet zum Beispiel mehr und mehr der Begriff „Nachrichten“. Journalisten sind heute nicht mehr im Nachrichten-Geschäft, sondern sie suchen nach Stories.

Auch die gute alte „Marke“ verschwindet. Anstatt eines Markenkerns wird jetzt die „Story“ eines Produktes herausgearbeitet. Ganz zu schweigen von der „Positionierung“, dem „Image“, der „Selbstdarstellung“. All das sind jetzt „Stories“. Und auch in der PR greift die Storifizierung um sich und erledigt Stück um Stück die „Kernbotschaft“. Und dem nicht genug. Eine ganze Generation an Smartphone-Usern ist drauf und dran, den Begriff „Story“ komplett neu zu definieren. Denn seien wir mal ehrlich, wie viel „Geschichte“ steckt denn tatsächlich in einer Huschhusch-wisch-wasch-Emoji-Hashtag-Insta-Story?

 

Why Storytelling

Was macht denn eine gute Story aus, noch dazu im Marketing? Storytelling hat unterschiedliche Gesichter. Sie ist einerseits eine rhetorische Technik. Gute Redner informieren uns nicht nur, sie unterhalten uns auch mit guten Geschichten. Und sie nutzen diese Stories, damit wir uns den Inhalt, den sie vermitteln wollen, besser merken können.

Dann sind da selbstverständlich journalistische Stories. Besonders die Form des narrativen Journalismus ist massiv auf dem Vormarsch, denn wir haben schon längst die Geduld verloren, uns mit sachlich, neutralen Artikeln eine eigene Meinung zu bilden. Lieber lassen wir uns mit einer kleinen Anekdote, einer Beispielgeschichte ködern und in einen Artikel reinziehen. Storytelling ist exemplarisches Erzählen. Das sollten sich PR-Leute immer vor Augen halten, wenn sie behaupten, Storyteller zu sein und vielleicht ihre allgemeingültige Pressemitteilung nochmals überarbeiten.

In der englischen Sprache gibt es einen Unterschied zwischen „Story“ und „History“. Im Deutschen ist der Unterschied kleiner: „Geschichten“ und „Geschichte“. Und so ist Storytelling im Marketing und in der PR auch oft verknüpft mit der Historie einer Marke oder einem Unternehmen. Gründermythen geben Stoff für starke Geschichten. Aber auch Leitbilder, Visionen und Werte sind gute Ausgangsbasis für Stories. Daher ist Storytelling auch ein Begriff der Brand- und Corporate Identity.

Warum wir aber in diesen Zeiten mit dem Begriff so massiv um uns werfen, hat mit dem kommunikativen Muster des Storytellings zu tun. Geschichten scheint es zu gelingen, trotzt Informationsüberfluss und Content Schock immer noch durchzudringen. Das beweisen Starautoren, Skriptwriter und Regisseure täglich.

Was die können, das muss sich doch in Marketing und PR übertragen lassen. Denn schließlich sind wir am Ende mit unserem Latein. Wir haben alles versucht. Wir haben Kunden informiert und aufgeklärt. Wir haben präsentiert und verführt. Wir haben gebeten und gebettelt. Wir haben Versprechungen abgegeben und in schillerndsten Farben ausgemalt. Unsere Kunden haben alles schon gesehen. Und daher blenden sie aus, filtern und blocken. Mit der Ausnahme von Stories selbstverständlich.

Also rein in das Geschäft. Ran an die Drehbücher und Skripte.

 

Über die Autorin:

Diesen Beitrag schrieb unsere Gastautorin und Expertin Petra Sammer: Kreative, Autorin und selbst Storytellerin. Mehr Tipps von ihr gibt´s in unserem zweiten Blog Post zum Thema Storytelling.

Juli 17, 2018

Petra Sammer ist Creative Strategist, Ideencoach und Trendscout im Bereich Kommunikation, Marketing und PR. Als Keynote Speaker, Buchautorin und Trainerin gibt sie ihr Wissen und ihre Erfahrung aus 25 Jahren Unternehmensberatung bei Ketchum an Unternehmer, Marketingprofis und Kommunikationsverantwortliche weiter. In ihren Seminaren, Workshops und Trend Talks hilft Sammer, neueste Kommunikationstrends strategisch einzuordnen und kreativ, vor allem aber effektiv nutzbar zu machen. www.petrasammer.com